Im Rahmen eines Bürgerforums im Falkenhagener Feld (FF) beschäftigten sich Bürger, das Quartiersmanagement, Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft mit dem Thema „Wohnen heißt bleiben!“.
Bezahlbares Wohnen ist ein immer wichtiger werdendes Thema. Die Angst, möglicherweise das jahrzehntelang gewohnte Umfeld verlassen zu müssen beschäftigt die Menschen im Falkenhagener Feld. Ebenso die Art und Weise, wie sich das Leben als Rentner in der Zukunft gestaltet.
Als sozialen Wohnungsbau bezeichnet man den staatlich geförderten Bau von Wohnungen für Mieter, die ihren Wohnungsbedarf nicht am freien Wohnungsmarkt decken können. In diesem Sinne stellt der soziale Wohnungsbau eine staatliche Transferleistung dar.
Gäste auf dem Podium waren Thomas Krause, Leiter Team Spandau Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, Bezirksbaustadtrat Carsten Röding, Dr. Jochen Lang, Abteilungsleiter, der Abteilung 4 der Senatsverwaltung für Wohnungswesen, Wohnungsneubau, Stadterneuerung, Soziale Stadt, Johanna Herder, vom Wohntisch Spandau und Jürgen Wilhelm, Spandauer Bezirksleiter des Berliner Mietervereins.
Carsten Röding: Modernisierung ist ein schwieriges Thema. Es kann nicht von Interesse sein, den Verfall des Wohnungsbestandes zu zementieren.
Dr. Lang: Man sich auch besonders um den Bestand alter Wohnungen kümmern, da nicht überall neu gebaut werden kann.
Thomas Krause: Wohnungstausch wird in Spandau praktisch nicht genutzt. Wohnungszukauf soll auch weiterhin erfolgen.
Johanna Herder: Senioren möchten möglichst lange selbstbestimmt ihr Leben und Wohnen bestreiten.
Jürgen Wilhelm: Viele können es sich nicht leisten, das FF zu verlassen, selbst wenn sie es wollten.
Die ersten drei Bürgerforen fanden im Falkenhagener Feld statt. Diesmal kamen alle im Klubhaus in der Westerwaldstraße zusammen.
Spandau hat in den letzten Jahren einen verstärkten Zuzug aus dem Zentrum Berlins zu verzeichnen. Steigende Mieten verdrängten Mieter in die preiswerteren Randbezirke der Stadt. Dort, wo einst ein merkbarer Wohnungsleerstand herrschte, sieht es heute ganz anders aus.
Wie und wo wir wohnen und zu welchen Mieten, beeinflusst und bestimmt auch unsere Nachbarschaft und unser Lebensgefühl. Die Zukunft des Wohnens ist für viele nicht mehr so sicher, wie es einmal aussah. Selbst im Falkenhagener Feld wird schon für – deutlich preiswertere -Wohnungen in Halle oder anderswo geworben. Anstehende Sanierungen bereiten den Mietern Angst vor der Zukunft. Etwa ein Drittel der Bewohner ist derzeit Bezieher von Transferleistungen.
Wie schützt uns die Politik vor Auswüchsen auf dem Wohnungsmarkt?
25 Prozent der Mieter im Falkenhagener Feld sind Senioren. Zukünftig steigt diese Zahl wegen der demografischen Entwicklung deutlich an. Altengerechtes Wohnen ist nicht nur eine Frage des Mietpreises, sondern der Ausgestaltung der Wohnung und des Wohnhauses. Da stellt sich für manch einen die Frage, ob Wohngemeinschaften eine mögliche alternative Wohnform wären?
Die Eigentümerstruktur im Falkenhagener Feld ist recht überschaubar. Größter Vermieter vor Ort ist die GSW (Deutsche Wohnen), gefolgt von GEWOBAG und GAGFAH. Als Genossenschaft kommt noch die Charlottenburger Wohnungsbaugesellschaft hinzu. In den nächsten 10 Jahren werden im FF etwa 2.300 Wohnung aus der Mietpreis- und Belegungsbindung entlassen. In ganz Spandau existieren (Stand 2012) etwa 17.000 Sozialbau-Wohnungen. Der durchschnittliche Mietzins (Stand 2013) liegt bei 5,54 Euro Kaltmiete im freifinanzierten Wohnungsbau und 5,74 im sozialen Wohnungsbau. 61 Prozent der Spandauer Bevölkerung sind sozialwohnberechtigt. Wir können davon ausgehen, dass die Sozialmieten Zukunft ansteigen werden, vor allem dann, wenn die eigentliche Kostenmiete zugrunde gelegt wird.
Was hat der Bezirk kommunalpolitisch mit dem FF vor?
Baustadtrat Carsten Röding: Alle sind sich darüber einig. Spandau benötigt zukünftig mehr Wohnungen, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Eine nennenswerte Nachverdichtung im Falkenhagener Feld ist nicht zu erwarten. In der Wohnungsbauflächenpotentialstudie sind die Flächen im Bezirk ausgewiesen, an denen Wohnungsbau wünschenswert und möglich ist.
Für die Fläche der ehemaligen Nervenklinik (im Eigentum von Vivantes) gibt es derzeit ein Baubauungsplanverfahren, im Rahmen dessen dort auch Wohnungen entstehen sollen. Tendenziell werden dies eher eigentumsorientierte Wohnungen sein.
Die Charlottenburger Baugenossenschaft plant eine sehr kleine Nachverdichtung. Etwa 80 Wohneinheiten sollen dabei entstehen. An der Darby-Straße befinden sich Flächen im Besitz der BIMA. Hier bestehen noch Wohnungsbaupotentiale, die genutzt werden können.
Dort, wo das Land Berlin Eigentümer von Flächen ist, soll auch, wie bisher, eine Aufwertung von Flächen erfolgen, um den Wohnwert für die Umgebung zu verbessern. Der Quartierplatz an der Westerwaldstraße oder der Spektegrünzug sind dafür ein gutes Beispiel.
Was wird die Segregation dem Falkenhagener Feld in Zukunft bringen?
Früher sind die Besserverdienenden weggezogen. Es kann aber durchaus ein, dass sich dieser Trend wieder umkehrt. Bei steigenden Mieten wären dann die Hartz-IV-Empfänger die Leidtragenden.
Carsten Röding: Wer aus Berlin kommend hierher zieht, tut dies, weil hier vergleichsweise preiswerte Wohnungen existieren, weil Leerstand herrschte. Durch den Zuzug wurde also niemand verdrängt. Wahrscheinlich wird es auch in Zukunft keine massiven Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur geben.
Der Zuzug von Empfängern von Transferleistungen macht das Zusammenleben nicht immer einfach, in einzelnen Häusern. Diese Mieter bleiben – hoffentlich – nicht immer Leistungsempfänger. Die Nachbarschaften verändern sich wahrscheinlich kaum, wenn die Menschen hier sich mit ihrer Nachbarschaft identifizieren. Das Quartiersmanagement kann genau hier wirken, um dies zu sichern.
Alle Mieter, die hier „alt“ geworden sind, sollen natürlich auch in Zukunft hier ein lebendwertes Umfeld haben. Irgendwann sterben diese. Dann muss man schauen, welche Mieterstrukturen sich entwickeln sollen.
Entwicklung des Wohnungsbestandes
Greift das Mietenbündnis im Falkenhagener Feld und wird der Senat Wohnungszukäufe der städtischen Wohnungsbaugesellschaften fördern, um Einfluss auf eine stabile Mietpreisentwicklung zu nehmen? Die GEWOBAG hat hier unlängst rund 800 Wohnungen erworben. Ist der Senat bereit, ein neues Sanierungsprogramm, z.B. für eine energetische Sanierung, aufzulegen? Bei einer bestehenden Mietpreisbindung kann dies niemals kostendeckend auf die Miete umgeschlagen werden.
Dr. Lang: Wohnungsneubau ist zumindestens in Berlin DAS wichtige Thema. Nicht überall ist dies möglich. Aus diesem Grund muss man sich auch besonders um den Bestand kümmern. Die Bundesgesetzgebung der Mietpreisbremse wird schnell in Landesgesetze umgesetzt werden. Der landeseigene Wohnbestand soll mit einem Mix aus Neubau und Zukauf auf etwa 300.000 Wohnungen ansteigen. Um Wohnungen altersgerecht umbauen zu können, gibt es jetzt schon Förderprogramme, die dies unterstützen. Wohnungsbau soll nicht mehr reine Sozialwohnungssiedlungen errichten, vielmehr muss gleich zu Anfang eine soziale Mischung hergestellt sein.
Carsten Röding: Die Belegungsbindung ist durchaus ein zweischneidiges Schwert. Es ist nachvollziehbar, günstigen Wohnraum an „Bedürftige“ vorzuhalten. Andererseits ist es auch von den Wohnungsgesellschaften gewünscht, die Belegungsbindung aufzuheben, um eine „gesunde soziale Durchmischung“ in den Wohnquartieren herzustellen.
Modernisierung ist ein schwieriges Thema. Es kann nicht von Interesse sein, den Verfall des Wohnungsbestandes zu zementieren. Entstehenden Kosten müssen in irgendeiner Form umgelegt werden. Trotzdem muss Sanierung nicht in jedem Fall eine Fassadendämmung sein. Es gibt auch andere Wege, Energie einzusparen und Kosten zu senken.
Was plant die GEWOBAG mit ihrem Wohnungsbestand im Falkenhagener Feld? Ist es so, dass die Mieten, die theoretisch erlaubt wären, im FF nicht realisierbar sind? Verzichtet die GEWOBAG heute auf Miete? Wie sind die Bedingungen bei einem gewünschten Wohnungstausch von einer größeren in eine kleinere Wohnung oder dem Umbau in eine seniorengerechte Wohnung?
Thomas Krause: Die Möglichkeit des Wohnungstauschs wird in Spandau praktisch nicht genutzt. Nachfragen dazu sind ihm nicht bekannt. Auch zukünftig wird die GEWOBAG ihren Wohnungsbestand im FF durch Wohnungszukauf erweitern. Eine Verdichtung des bestehenden Wohnungsbestandes ist dagegen nicht geplant.
Für die Wohnungsgesellschaft ist die Miete nicht kostendeckend. Der Unterschied zwischen den preisgebundenen und den preisfreien Mieten im Falkenhagener Feld beträgt 60 Cent, also 60 Cent weniger, als theoretisch möglich wäre. 5,03 Euro beträgt etwa die Miete der preisfreien und 5,62 bei den preisgebundenen Wohnungen. Die Kostenmiete beträgt über 7 Euro. Daraus folgt eine erhebliche Preisdifferenz, welche die GEWOBAG jährlich allein für Spandau zu tragen hat. Im Jahr kommen so rund 300.000 Euro zusammen.
Wer seine Wohnung seniorengerecht umbauen möchte, kann sich mit seinen Fragen direkt an die Wohnungsgesellschaft wenden. Bei Bedarf fördert die GEWOBAG Umbauarbeiten in eine seniorengerechte Wohnung. Schließlich ist sie am dauerhaften Erhalt bestehender Mietverhältnisse interessiert.
Seniorengerechtes Wohnen
Johanna Herder: Senioren möchten möglichst lange selbstbestimmt ihr Leben und Wohnen bestreiten. Der „Wohntisch Spandau“ ist Treffpunkt und Diskussionsforum für alle Interessierten, die an ein gemeinschaftliches aber auch generationsübergreifendes Wohnprojekt denken.
Was sind die aktuellen Probleme der Mieter im Falkenhagener Feld?
Jürgen Wilhelm: Wir geben etwa ein Drittel unseres Einkommens für Miete und Nebenkosten aus. Viele können es sich nicht leisten, das FF zu verlassen, selbst wenn sie es wollten. Die neue Wohnung wird meist deutlich teurer sein, als die alte. Bei steigenden Mieten stellen sich viele dann die Frage, wo soll ich hin, mit meinem bescheidenen Einkommen? Energetische Modernisierung erscheint einigen als Schreckgespenst. Schließlich zahlt er diese ein Leben lang. Eine grundsätzliche Forderung kann also nur sein, dass die entstehenden Kosten sich an den potentiellen Einsparungen orientieren müssen. Einsparungen bei normalen Reparaturmaßnahmen und beim Personal offenbaren ein geringes Interesse der Wohnungsgesellschaften an ihren Mietern. Leider sind die Vereinbarungen des Mietenbündnis für Mieter nicht einklagbar. Oft haben sie also nichts davon. Informationen zum möglichen Wohnungstausch sind praktisch nicht vorhanden. Es ist ferner nicht sichergestellt, dass der Mieter nach einem Wohnungstausch nicht merkbar weniger Miete zahlt, als zuvor. Niemand tauscht, wenn er möglicherweise anschließend in der kleineren Wohnung mehr Miete entrichten muss, als in der größeren.