Erzählcafé in der Jeremia-Gemeinde im Falkenhagener Feld
Eigentlich hätte Werner Salomon (Spandaus Bezirksbürgermeister von 1979 bis 1992) diesen Programmpunkt „Zeit des Mauerfalls in Spandau „ des 3. Erzählcafés im Foyer der Jeremia-Gemeinde im Falkenhagener Feld bestreiten sollen. Ein Operationstermin kam ihm leider dazwischen. Alle Versammelten ließen ihm durch Pfarrer Steffen die besten Genesungswünsche ausrichten.
So wurde aus der Not geboren, das umgesetzt, was die Intention des Erzählcafés sein sollte, nämlich der gemeinsame Austausch zu einem Thema. Die „Zuhörer“ wurden selbst zu Erzählenden.
Pfarrer Steffen betonte in seiner Einleitung, das Ereignis Mauerbau selbst ist noch nicht allzu lange her und doch ist es schon ein Kapitel der Zeitgeschichte, die uns aber noch sehr bewusst vor Augen steht. Jeder hat dieses einschneidende Ereignis sehr unterschiedlich erlebt. Von da an ergab sich für alle die Möglichkeit, die alte Begrenzung zu durchschreiten um die Umgebung Berlins und Spandaus auf der anderen Seite kennenzulernen. Mehr als 40 Jahre war die andere Seite nah und fern gleichermaßen. Die Entdeckung des „Neuen“ ging natürlich auch umgekehrt. So tat sich für viele eine scheinbar neue Welt auf, obwohl sie nur einen Steinwurf entfernt lag.
Pfarrer Nico Steffens Blick zurück
Dabei sprach er auch seine eigenen Erfahrungen an, seinen Blick von der anderen Seite“ auf die Gropiusstadt. Als am 8./9.November die Mauer aufging, war dies natürlich nicht ein plötzlich auftretendes Ereignis. Das ganze Geschehen hatte natürlich eine Vorgeschichte. Erst die Mahnwachen in den Kirchen und dann die großen Demonstrationen in Leipzig, Berlin und vielen anderen Orten. Selbst in Königs Wusterhausen, was seinem Heimatort Zeuthen sehr nahe war, gab es die Montagsdemos. Auch die hatten einen zentralen Ort, nämlich im kirchlichen Kontext.
Das Ereignis, so spektakulär es war, hatten anfangs nicht alle mitbekommen. Manche erfuhren erst aus dem Fernsehen davon, als die Bilder Menschen zeigten, die auf der Mauerkrone standen. „Am nächsten Tag war nichts mehr so, wie vorher“.
Auch für die 15-16-jährigen Schüler, wie Nico Steffen damals einer war, stand dann natürlich die Frage im Raum, wann und mit wem fahre ich das erste Mal nach West-Berlin und wo bekomme ich das Visum. Dafür stellte er sich gerne noch einmal als DDR-Bürger in eine lange Schlange und hat gewartet, bis es dann doch recht unbürokratisch den Stempel für den Ausweis gab.
Der nächste Grenzübergang war für ihn der kleine Übergang an der Sonnenallee in Neukölln gewesen. Schnell ging es dann mit der U-Bahn bis zum Kudamm. Augenzwinkernd ergänzte er: „Selbstverständlich weiß ich heute, dass ich mit dieser U-Bahnlinie auch schon bis nach Spandau hätte fahren können“. Damals lag Spandau für ihn noch jenseits von „Gut und Böse“.
Vom Kudamm ging es dann zu Fuß zur Siegessäule und zum Brandenburger Tor um dann über den Check-Point-Charlie zurück in den Osten zu laufen. Ein wenig gespenstig schien es schon. Dort war nichts los, alles dunkel, während der Westen hell erleuchtet war.
Die Freude, eine neue Welt zu entdecken, hielt noch viele Monate an, bevor ein wenig die Ernüchterung einsetzte, als man feststellte, wie unterschiedlich sich die Lebenswelten in rund 40 Jahren entwickelt hatten. Umso bedeutsamer ist der Umstand, dass es so viele Menschen gab, die bewusst auf eine Vereinigung hingearbeitet haben.
Im Nachhinein stellt sich die Frage, ob es zu einer Wiedervereinigung gekommen wäre, wenn die kritischen Stimmen sich früher Gehör verschafft hätten. Die Euphorie hat dann doch die Menschen getragen, um den gemeinsam begonnenen Weg auch bis zum Ende fortzusetzen.
Alle Anwesenden sind damit eingeladen, gemeinsam ins Gespräch zu kommen, um zu erzählen, wie die eigenen Erlebnisse in diesen Tagen aussahen …
Frau Jones
Frau Jones nutze damals die Gelegenheit, ihren Bruder zu besuchen, der eine Frau in der DDR geheitatet hatte und dort glücklich lebte. Für sie gab es bei den Besuchen in Marzahn keinen Unterschied zu den Lebensumständen in Spandau.
Dagegen hatte sie das Gefühl, wenn sie durch Ostdeutschland gefahren ist, dort wäre alles grau in grau gewesen – ärmlich, im Vergleich zu West-Deutschland.
Herr Metasch
Er selbst ist in Staaken groß geworden, fasste ein wenig die Ereignisse zusammen, die erst zu einer Teilung des Ortsteiles und auch dem Mauerfall zu dessen Vergrößerung führten, einer Vergrößerung, an der Werner Salomon seinen gewichtigen Anteil hatte.
Der Einfachheit halber aus Wikipedia entnommen:
- Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Staaken im Rahmen eines Gebietstausches zwischen Briten und Sowjets per 31. August 1945 aufgeteilt. Der westliche Teil wurde der sowjetischen Besatzungsmacht zugesprochen. Dabei wurde dieser Teil zunächst weiter vom Spandauer Rathaus aus verwaltet. So konnten die Bewohner West-Staakens am 3. Dezember 1950 noch an den Wahlen zum West-Berliner Abgeordnetenhaus teilnehmen. Der östliche Teil Staakens blieb – wie der gesamte Bezirk Spandau – Teil des Britischen Sektors. Grund für diese außergewöhnliche Aufteilung Staakens unter den Alliierten – abweichend von den Berliner Bezirksgrenzen – war, dass die britische Siegermacht den in Gatow gelegenen Flugplatz für ihren Sektor in Berlin benötigte. Der Flugplatz Gatow lag ursprünglich zum Teil auf sowjetisch verwaltetem brandenburgischem Gebiet. Die beteiligten Alliierten einigten sich dahingehend, West-Staaken den Sowjets und den Briten im Gegenzug Teile der Gemeinde Groß Glienicke sowie den sogenannten „Seeburger Zipfel“ (ein schmaler Gebietsstreifen auf der Höhe der brandenburgischen Gemeinde Seeburg, der relativ weit in den Britischen Sektor von Berlin hineinragte) im Südwesten Spandaus zuzuteilen. Die Grenze zwischen dem sowjetischen West-Staaken und dem britischen Staaken in West-Berlin verlief dabei in einer Linie von Nord nach Süd in der Mitte der Straßenzüge Finkenkruger Weg, Nennhauser Damm und Bergstraße.
- Am 1. Februar 1951 wurde West-Staaken von der DDR-Volkspolizei besetzt und zunächst vom Ost-Berliner Bezirk Mitte aus regiert. Am 1. Juni 1952 wurde die Verwaltung auf die zur DDR gehörige Gemeinde (ab 1961 Stadt) Falkensee (Kreis Nauen, Bezirk Potsdam) übertragen. Doch gehörte West-Staaken weiterhin offiziell zu Groß-Berlin, bis am 1. Januar 1961 die offizielle Eingliederung nach Falkensee erfolgte. Am 1. Januar 1971 wurde es wieder ausgegliedert und bildete fortan die Gemeinde Staaken in der DDR. Die Einwohnerzahl betrug zu diesem Zeitpunkt 4146.
- Trotz der Zugehörigkeit zum Bezirk Potsdam gab es einige Besonderheiten. Die Katasterunterlagen für West-Staaken verblieben beim zuständigen Vermessungsamt des Bezirks Spandau. In Ermangelung anderer Unterlagen stellte der Liegenschaftsdienst des Bezirks Mitte (Ost-Berlin) eine eher rudimentäre Katasterkarte im Maßstab 1:4000 auf. Später wurde die Katasterführung an den Liegenschaftsdienst des Kreises Nauen übergeben, der erst nach mühseligen Verhandlungen die bei ihm geführten Unterlagen im Jahr 1991 an den nach der Wiedervereinigung wieder zuständigen Bezirk Spandau herausgab. Die Telefonanschlüsse waren bis in die späten 1980er-Jahre im Telefonbuch von Ost-Berlin verzeichnet. Ein Telefongespräch zwischen Ost-Berlin und West-Staaken (Vorwahl „572“) war ein Gespräch zum Ortstarif. Laut Telefonbuch von 1989 war Staaken nicht mehr als Ortsgespräch über „572“ zu erreichen. Die Telefonanschlüsse waren dann im Telefonbuch des Bezirks Potsdam eingetragen.
- Kurz nachdem am Abend des Mauerfalls am 9. November 1989 die innerstädtischen Berliner Grenzübergänge geöffnet worden waren, wurde in der gleichen Nacht gegen 0.35 Uhr auch der Grenzübergang Heerstraße geöffnet. Im Rahmen der Wiedervereinigung wurden die getrennten Ortsteile am 3. Oktober 1990 wieder im Berliner Bezirk Spandau zusammengeführt, West-Staaken zählte zum Beitrittsgebiet. (Ende des Wikipedia-Textes
Werner Salomon hat dafür gesorgt, dass der Teil der DDR, der vorher zu Spandau gehörte, auch wieder zurück an den Bezirk kam. Mit der Zusammenführung kam auch die alte Dorfkirche Staaken wieder zu Spandau, die vormals die eigentliche Kirche der Gemeinde Staaken war. Man kann heute von Glück sagen, dass diese Kirche im Bereich der Grenze nicht abgerissen wurde. Der Zugang zur Kirche war für die Gemeinde damals außerordentlich schwer gewesen. Das Gemeindeleben litt sehr darunter. Nur die Bewohner des Grenzstreifens durften überhaupt dorthin kommen. Insgesamt war das Leben im Grenzstreifen nicht unproblematisch. Besuche konnten nicht spontan empfangen werden. Erst nach Antragstellung beim Rat der Stadt Falkensee, war ein Besuch möglich gewesen. Bis zur Genehmigung konnte einige Zeit ins Land gehen. Selbst Ärzte im Notfall kamen nicht ohne Genehmigung hinein.
Die Grenze verlief damals inmitten der Straße, Nennhauser Damm, Finkenkruger Weg. Alle Häuser, die im errichteten Todesstreifen standen, wurden abgerissen. Das traf auch mehrgeschossige Häuser in der Spandauer Straße. Post und Ärztehaus mussten weichen.
Vor seiner alten Schule, die etwa 200 Meter außerhalb des Todesstreifens lag, wurde eine Mauer errichtet. Die Grenzposten liefen dann vor dem Schulfenster entlang. Alle Schüler, die morgens über den Grenzübergang in die Schule kamen, wurden erst einmal kontrolliert. Die Lehrer mussten einen Spezialausweis haben, damit sie herein durften.
Die alte Dorfkirche Staaken stand ähnlich nahe an der der Grenze. Man muss heute von Glück reden, dass die Kirche noch steht. Die katholische Gemeinde hatte weniger Glück. Deren Kirche am Finkenkruger Weg wurde mitsamt dem Friedhof eingeebnet. Heute zeugt nur ein kleiner Hinweis vor der Freifläche von der ehemaligen Kirche. Die Katholiken haben dann am Rande der Staakener Gartenstadt eine kleine neue Kirche errichtet.
Die Staakener selbst haben zunächst im August-Hermann-Francke-Heim auf West-Berliner Gebiet eine Kirche gehabt. Später wurden dann zwei neue Kirchen errichtet – am Brunsbütteler Damm, die Zuversichtskirche, und in der Heerstraße Nord eine weitere Kirchengemeinde. Inzwischen sind alle drei Kirchengemeinden zu einer Gemeinde zusammengeschlossen.
Wird fortgesetzt …