Erzählcafé im Foyer der Spandauer Jeremia-Gemeinde
Die Luftbrücke in Spandau
Die Jeremia-Gemeinde im Falkenhagener Feld hat seit kurzem ein ansprechend hergerichtetes Foyer. Zu ersten Mal war es nun Ort für das zukünftig regelmäßig stattfindende Erzählcafé. Ein Blick zurück in die Spandauer Geschichte soll hier getan werden, kein intellektueller oder vor Daten strotzender trockener Historientrip, sondern die lebendige Begegnung mit der Vergangenheit des Bezirks.
Den Anfang machte der Geschäftsführer der Stiftung Luftbrückendank Heinz-Gerd Reese.
Eingerichtet wurde die Stiftung 1959 anlässlich des 10. Jahrestages des Endes von Blockade und Berliner Luftbrücke 1948-49. Sie soll die Verbundenheit Berlins mit den Trägern der Luftbrücke zum Ausdruck bringen. Heute kümmert sie sich verstärkt um die noch lebenden Piloten, die zwischenzeitlich fast vergessen schienen.
Die Luftbrücke selbst ist für viele ein sehr abstraktes Geschehen in ferner Vergangenheit. Vor mehr als 60 Jahren, genau am 24. Juni 1948, wurden die Verkehrsverbindungen von den westlichen Besatzungszonen nach West-Berlin durch die sowjetische Besatzungsmacht gesperrt. 2,2 Millionen Menschen waren ohne jegliche Versorgung, ohne Strom …
Bekannt sind sicherlich vielen die Worte Ernst Reuters am 9. September 1948 vor dem Reichstagsgebäude:
… Ihr Völker der Welt,
Ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien!
Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass Ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt! …
Währungsreform als Ursache der Blockade
Ursache war die Währungsreform in den Westsektoren – ohne Berlin, die zu einer ebensolchen in der sowjetischen Zone inklusive (!) Berlins führte. Von den westlichen Stadtkommandanten Berlins wurde die neue Währung in Berlin für ungültig erklärt und im Westteil durch eine eigene D-Mark ersetzt.
Die Blockade selbst dauerte bis zum 12. Mai 1949. Sie bedeutete aber, wie man möglicherweise annehmen mag, keine undurchdringliche Mauer, weder in den Ostteil der Stadt, noch ins Umland. In diesem Zeitraum wurde Berlin vollständig aus der Luft versorgt. In fast 278.000 Flügen transportierten Flugzeuge der ehemaligen Kriegsgegner Großbritannien und der Vereinigten Staaten von Amerika mehr als 2,3 Millionen Tonnen Fracht. Ein komplettes Kraftwerk (Reuter) wurde auf dem Luftweg nach Berlin geschafft. In nur drei Monaten Bauzeit errichtete man den Flughafen Tegel, mit der damals längsten Landebahn Europas.
Allzu leicht wird die technische und logistische Leistung in den Vordergrund gestellt. Dabei wird leicht vergessen, dass es in erster Linie um Menschen ging. Ein sog. Verbrüderungsverbot sollte den Umgang des alliierten Militärs mit der deutschen Bevölkerung unterbinden. Der jeweilige Status Kriegsverursacher und Sieger sollte nicht aufgeweicht werden. Amerikanischen Soldaten war es untersagt, sich freundlich gegenüber der deutschen Bevölkerung zu verhalten.
Verbrüderungsverbot – General Eisenhower, 12. September 1944:
"Nichtverbrüderung ist die Vermeidung des Zusammentreffens mit Deutschen auf der Grundlage von Freundlichkeit, Vertrautheit oder Intimität – ob individuell oder in Gruppen, im offiziellen und inoffiziellen Umgang. Jedoch verlangt die Nichtverbrüderung kein hartes, unwürdiges oder aggressives Verhalten noch eine anmaßende Überheblichkeit, wie sie die Nazi-Führung auszeichnete."
Einschneidende Veränderungen brachte die Luftbrücke mit sich. Ehemalige Kriegsgegner setzten ihr Leben aufs Spiel, um das Überleben des eingeschlossenen Berlin zu gewährleisten. Die Rosinenbomber sind ein bis heute im Gedächtnis verhafteter Begriff. Gail Halvorsen, ein amerikanischer Pilot, begann aus eigener Initiative kleine Geschenke an selbst gebastelten Fallschirmen abzuwerfen, andere folgten diesem Beispiel.
Die Luftbrücke in Spandau
Was aber hat Spandau mit der Luftbrücke zu tun, werden sich nun die Jüngeren fragen. Nun, der ehemalige Flughafen Gatow, heute ein Museum, war ein wichtiger Teil davon. Bis zu 20 Maschinen sollten im Idealfall pro Stunde dort landen. Selbst auf der Havel landeten Flugzeuge mit Versorgungsgütern. Rund 50 Millionen Liter Benzin, Diesel und Kerosin sollen so nach Gatow gelangt sein. In Tempelhof, dem innerstädtischen Flughafen, erschien das Risiko eines Unfalls viel zu hoch. Über eine unterirdische Leitung flossen die Treibstoffe vom Flugplatz an die Havel, um dort von Tankschiffen nach Berlin transportiert zu werden. Eine persönliche Schilderung eines Spandauers, der die Luftbrücke in Gatow erlebt hat, findet sich hier.
Ein toller Start für das Erzählcafé
Heinz-Gerd Reese gelang es, seinen Vortrag mit vielen Details zu würzen, bei denen immer die Menschen im Vordergrund standen. So bestand nie die „Gefahr“ in ein trockenes historisches Referat „abzugleiten“. Vor allem, war der Vortrag keine Einbahnstraße. Zwei alte Damen aus dem Falkenhagener Feld konnten eigene Gedanken zum Thema beitragen. Sie hatten die Luftbrücke als kleine Kinder erlebt. Fragen der Zuhörer wurden gerne und ausführlich beantwortet.
Das Erzählcafé hat damit einen spannenden Start hingelegt, der neugierig macht auf mehr. Es empfiehlt sich, schon jetzt einen Vermerk im eigenen Kalender zu machen. Die nächsten Termine und Inhalte stehen schon fest.
Ralf Salecker
Erzählcafé Jeremia im Foyer
Ev. Jeremia Gemeinde
Siegener Straße
13583 Berlin
- 20. April 18.00 Uhr
Spandau und der Mauerbau – Pfarrer i.R. W. Augustat - 11. Mai 18.00 Uhr
Spandau und der Mauerfall – Bezirksbürgermeister a.D. Werner Salomon - 15. Juni 18.00 Uhr
Spandau und seine Zukunft – Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank