5. Quartierrätekongress im Berliner Abgeordnetenhaus

34 Quartiersmanagementgebiete gibt es in Berlin, allein vier davon in Spandau, nämlich im Falkenhagener Feld West und Ost, der Heerstraße Nord und der Spandauer Neustadt. Neben den angestellten Quartiersmanagern engagieren sich ehrenamtliche Quartiersräte für die Verbesserung des Zusammenlebens im Quartier. Quartiersräte sind die gewählten Bewohner aus dem Kiez, die wegen ihrer besonderen Nähe zum Quartier prädestiniert sind, Entscheidungen, wo und wie Fördermaßnahmen vor Ort eingesetzt werden sollen, treffen können. Einmal im Jahr treffen sich alle Quartiersräte Berlins zum Quartiersrätekongress, um sich auszutauschen und von den Erfahrungen der anderen zu profitieren. Ort des 5. Quartierrätekongress war diesmal das Abgeordnetenhaus von Berlin.

Markt der Möglichkeiten

Der Quartiersrätekongress begann mit dem Markt der Möglichkeiten. Alle Berliner Quartiersgebiete konnten sich hier auf einer Stelltafel präsentieren und so die Kernbereiche ihrer Arbeit den anderen vorstellen. Grundsätzlich eine schöne Idee. Gerade die Quartiersräte, können so Anregungen für die Arbeit in den eigenen Kiezen bekommen. Leider machten die sehr beengten Verhältnisse diesen Austausch eher schwierig. Zukünftig wäre ein größerer Raum wünschenswert.

In der Vergangenheit ermöglichten Workshops eine tiefergehende Auseinandersetzung mit einzelnen Themen. Die seltene Gelegenheit zur direkten Kommunikation aller Quartiersräte bietet die Möglichkeit, sich mit konkreten Fragen und Problemen zu beschäftigen, die während der ehrenamtlichen Tätigkeit entstehen.

Begrüßung, Dank und Kritik

Im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses von Berlin erfolgte die offizielle Begrüßung der versammelten Quartiersräte. Michael Müller, Bürgermeister von Berlin und  Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, der Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland und Farhad Dilmaghani, der Staatssekretär für Integration dankten den Quartiersräten für ihre vergangene ehrenamtliche Tätigkeit.

Die Auszeichnung des Berliner Quartiersmanagement mit dem europäischen RegioStar Award 2013 wurde als besondere Wertschätzung der Arbeit in den Kiezen verstanden. Seit 2008 zeichnet die EU besonders innovative und intelligente Projekte, die aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) bezuschusst werden, mit dem RegioStars Award aus. Unter 149 europaweit eingereichten Projekten wurden Preise in fünf Kategorien vergeben. In der CityStar-Kategorie „triumphierte“ das Berliner Quartiersmanagement über Mitbewerber aus 23 Mitgliedsstaaten.

Dazu Stadtentwicklungssenator Michael Müller :

„Diese Auszeichnung ist die Bestätigung dafür, dass wir mit der Organisation von sozialen Zusammenhalt und solidarischem Miteinander in benachteiligten Stadtteilen im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz belegen. Und dieser Spitzenplatz gründet im herausragenden Engagement der Menschen, die in den QM-Gebieten leben, arbeiten und sich trotz schwieriger Bedingungen für ein funktionierendes Gemeinwesen einsetzen.“

Kritik wurde in diesem Zusammenhang an der Bundesregierung geäußert, die mit massiven Einsparungen in den Mitteln für die soziale Stadt die wichtige und notwendige Arbeit vor Ort gefährdet. In Berlin hatten diese Einsparungen glücklicherweise keine negativen Folgen, weil sich das Land entschlossen hatte, die fehlenden Gelder aus dem Landeshaushalt auszugleichen. Ein Umstand, der zu deutlicher Kritik der Geberländer im Länderfinanzausgleich führte, die dies als teuren Luxus Berlins ansehen.

Ergänzend erhielten die Vertreter der Berliner Quartiersgebiete eine Urkunde aus der Hand des Stadtentwicklungssenators, als besondere Würdigung durch das Land Berlin.

Offene Diskussionsrunde

Mieten

Angst vor steigenden Mieten, zu wenig bezahlbarer Wohnraum und die „Vertreibung“ in die Randlagen Berlins waren Themen, die vielen auf den Nägeln brannten. Verständlich ist es, das bei manchen Fragen eher der Wusch Vater des Gedanken war. So schoss manch einer mit einem Missverständnis über das Ziel hinaus, als Senkung und Festschreibung von Mieten auf einem niedrigen Niveau zu einem nicht erfüllten Versprechen der Politik wurde.

Die Menschen lieben in der Regel ihre Kieze und möchten diese nur ungerne verlassen. Steigender Mietendruck zerstört gewachsene Strukturen im Innenstadtbereich. Immer weniger können sich die hohen Mieten leisten. Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum sind da nur verständlich. Der Staat ist in der Pflicht, mit einer entsprechenden Politik, den Bau von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu fördern, da ein Einfluss auf die Miethöhe anderweitig nur begrenzt möglich ist.

Mit dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshais-Kreuzberg, Dr. Franz Schulz und dem Baustadtrat von Spandau, Carsten Röding, waren dann zwei Bezirke mit sehr unterschiedlichen Problemen im Podium vertreten. In Friedrichshain sollen gerade Teile der East-Side-Gallery weichen, um Platz für teure Wohnungen zu schaffen, während Spandau zum Ziel für viele wird, die sich Wohnungen im Zentrum Berlins nicht mehr leisten können.

Beklagt wurde, dass im Laufe der letzten Jahre viele soziale Anlaufstellen in den Kiezen geschlossen oder eingespart wurden. Gerade diese sind aber essentiell, um die Verbundenheit mit der eigenen Wohn- und Lebensumgebung zu stärken.

Spandaus Baustadtrat Carsten Röding zeigte sich froh darüber, dass sich anfängliche Befürchtungen nicht bestätigt haben, nach denen politische Lager in den Kiezen die Zusammenarbeit mit den Quartieren erschweren könnten. Auch wenn die Zusammenarbeit in Teilbereichen immer noch Verbesserungswürdig ist, ist er von der Notwendigkeit des Quartiersmanagements überzeugt. Sie können maßgeblich dazu beitragen, dass die Menschen sich in ihren Kiezen wieder wohlfühlen. Gerade weil die finanzielle Situation ist, wie sie ist, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen über unterschiedlichste Ressorts und Zuständigkeiten hinweg, um das angestrebte Ziel eines lebenswerten Kiezes zu erreichen.

Migration

Ein anderes Thema sorgte fast ebenso für emotionale Beiträge. Migration ist oft und gerne ein Thema in den Medien. Viele der sog. Migranten fühlen sich aber nicht als Migranten. Sie sehen sich als Deutsche und mögen nicht immer als Deutsche mit Migrationshintergrund bezeichnet werden. Der Begriff scheint eher auszugrenzen. Oft wird das mangelnde Engagement der sog. Migranten bemängelt. Schaut man sich die Zahlen der Beteiligten in den Quartieren an, so sind sie teilweise „überrepräsentiert“. Interessanterweise beteiligen sich gerade „Migranten“ stärker in den Quartiersräten mancher Gebiete als es prozentual Deutsche tun.

Allzu leicht werden Menschen nach ihrem Äußeren beurteilt. Ein Farbiger, der hier in Berlin aufgewachsen und sozialisiert wurde, muss sich immer wieder mit Vorurteilen auseinandersetzen. Er stand stellvertretend für viele, denen es ähnlich geht. Gute Schulbildung und Integration lassen sich eben nicht von Äußerlichkeiten ableiten. Ein Umstand, den auch eine Quartiersrätin aus Spandau beklagte.

Insgesamt sehen die meisten im Miteinander mit anderen Kulturen eine wichtige Bereicherung im Kiez. Eine wichtige Forderung der Migranten selbst, ist die Feststellung, dass Integration keine Einbahnstraße sein darf.

Ralf Salecker

5. Quartiersrätekongress 2013 im Abgeordnetenhaus von Berlin (Fotos Ralf Salecker)